Debbie Bülau mit dem britischen Botschafter Andrew Mitchell (rechts), Lieutenant Colonel Richard Sernberg, britischer Verbindungsoffizier (links), und Landrat Kai Seefried. (© Christina Söder)
Britische Ehrenmedaille für Volksbund-Mitglied
Lokalgeschichte verbindet Völker: Debbie Bülau für Gedenk- und Versöhnungsarbeit ausgezeichnet
König Charles III. sandte Grußworte und der britische Botschafter war aus Berlin angereist, um Debbie Bülau die „British Empire Medal“ zu überreichen – ein besonderes Ereignis in der 4.600-Seelen-Gemeinde Kutenholz in Niedersachsen. Seit über 100 Jahren würdigt das englische Königshaus mit dieser Medaille herausragende zivile und militärische Leistungen.
Ein Dorfgemeinschaftshaus in freudiger Erwartung: Von Minute zu Minute steigt die Spannung bis zum Eintreffen des hochrangigen Besuchs aus der Hauptstadt. Der britische Botschafter Andrew Mitchell mischt sich unter Freunde, Verwandte und Weggefährten von Debbie Bülau und hält eine Laudatio, die den Fokus auf Versöhnung und den Wert der europäischen Freundschaft legt.
Britischer Panzer explodiert
In den letzten Kriegstagen 1945 war vor dem Dorf Kutenholz im Landkreis Stade ein britischer Panzerspähwagen explodiert. Deutsche Soldaten hatten eine Mine ferngezündet. Alle Insassen des Fahrzeuges starben – unter ihnen der Leibwächter der späteren Königin Elisabeth II.
Heimatforscherin und Volksbund-Mitglied Debbie Bülau hat dieses Ereignis und die Lebensgeschichten der britischen Soldaten aufgearbeitet. Sie recherchierte auf beiden Seiten des Ärmelkanals, initiierte Geschichts- und Erinnerungstafeln und gestaltete eine Wanderausstellung. Darüber hinaus machte sie Angehörige der Soldaten in England ausfindig und lud sie zu einem Besuch nach Kutenholz ein. Damit leistete sie einen wertvollen Beitrag zur deutsch-britischen Versöhnung und Freundschaft im Landkreis Stade.
Internationale Kutenholz-Familie
Bescheiden tritt sie auf und erzählt, dass es ihr beinah unangemessen vorkomme, für etwas geehrt zu werden, was in Zusammenhang mit dem Tod anderer Menschen steht. Der Besuch des Botschafters, so sagt sie, sei „Motivation für uns alle“.
“It takes a village to raise a child” („Man braucht ein Dorf, um ein Kind großzuziehen”) – dieses afrikanische Sprichwort passt auch auf das Engagement von Debbie Bülau. Sie selbst spricht von ihrer „internationalen Kutenholz-Familie“, den Menschen, die ihr mit Rat und Tat zur Seite stehen und sie in ihrer Arbeit unterstützen. Immer wieder betont sie die Bedeutung ihrer Mitstreiter: „Es ist ein ‚wir‘, kein ‚ich‘.“
Erinnerung bewahren
Doch jedes Projekt braucht jemanden, der es anschiebt, vorantreibt, koordiniert und die Verantwortung übernimmt. Genau dies hat Debbie Bülau getan. Charmant und hartnäckig hat sie Menschen angesprochen, miteinander in Kontakt gebracht und auf diese Weise ein Netzwerk aufgebaut, dass sich der Geschichtsaufarbeitung und dem gemeinsamen internationalen Gedenken an die Verstorbenen verpflichtet fühlt.
Kai Seefried, Landrat des Landkreises Stade, sagt, Debbie Bülau habe es sich zur Aufgabe gemacht, den Menschen wieder einen Namen und eine Geschichte zu geben. Sie leiste damit eine aktive Arbeit für den Frieden. Die Bewahrung der Erinnerung sei eine Mahnung für die Zukunft. Der aktuelle Krieg in Europa, so der Landrat, bringe uns das Leid wieder nahe. Es sei mit das Schlimmste, keinen Ort zum Trauern zu haben, besonders da die Trauer über Generationen weitergegeben werde.
Musterbeispiel für Völkerverständigung
Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. unterstützte Debbie Bülaus Initiative von Anfang an. Jan Effinger, Geschäftsführer des Bezirksverbandes Lüneburg/Stade, nennt Bülaus Engagement ein „Musterbeispiel für Völkerverständigung“.
Die Zusammenarbeit habe nicht nur zu zwölf Geschichts- und Erinnerungstafeln in der Samtgemeinde Fredenbeck geführt. Das eigentlich Bemerkenswerte sei, dass die Lokalhistorikerin den Kontakt zu den Angehörigen gesucht, gefunden und gehalten habe. Deutsch-britische Freundschaften seien entstanden. Effingers Fazit und Auftrag an Debbie Bülau lautet deshalb: „Mach weiter so, denn Du tust das Richtige!“
Ausstellung in Schottland

Neben Angehörigen aus England ist auch der Vorsitzende der „Royal British Legion Bergen-Hohne“ zur Medaillen-Verleihung nach Niedersachsen gekommen. Keith Orton sagt, er könne Debbie Bülaus Enthusiasmus nur bewundern. Es sei bemerkenswert, wie sie sich für die Verstorbenen und ihre Familien einsetze. Deshalb habe er keinen Moment gezögert, ihre Nominierung für diese Auszeichnung zu unterstützen.
Gerade hat Debbie Bülau die Ausstellung über die Opfer des Zweiten Weltkrieges in ihrer Heimatgemeinde verpackt und auf große Reise geschickt. Demnächst sind Biographien, Fotos und ausgewählte Exponate in Edinburgh zu sehen. Da Debbie Bülau Menschen zusammenbringt und Netzwerke knüpft, hat sie für die Ausstellungseröffnung an alles gedacht – auch an englischsprachiges Informationsmaterial zur Volksbund-Arbeit.
Der Volksbund ist…
… ein gemeinnütziger Verein, der im Auftrag der Bundesregierung Kriegstote im Ausland sucht, birgt und würdig bestattet. Mehr als 10.000 waren es im vergangenen Jahr. Der Volksbund pflegt ihre Gräber in 45 Ländern und betreut Angehörige. Mit seinen Jugend- und Bildungsangeboten erreicht er jährlich rund 38.000 junge Menschen. Für seine Arbeit ist er dringend auf Mitgliedsbeiträge und Spenden angewiesen.
